Tablette vergessen? Vor allem ältere Patienten oder Menschen mit Vorerkrankungen kennen das Problem: Wer viele Medikamente gleichzeitig einnehmen muss, dem kann es leicht passieren, in der Hektik des Alltags die Einnahme zu versäumen oder die Dosierung zu verwechseln. Solche Einnahmefehler sind jedoch riskant: So gingen 2016 etwa fünf Prozent der Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Medikamentenwirkungen zurück – und ein Viertel davon hätte vermieden werden können.
Das Bundesgesundheitsministerium hat daher bereits vor einigen Jahren Maßnahmen zur Verbesserung der Medikationssicherheit ergriffen: Im Oktober 2016 wurde der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) eingeführt. Anspruch auf diesen papierbasierten Medikationsplan haben Patienten, die mindestens drei systemisch – also auf den gesamten Körper – wirkende Medikamente einnehmen. Wichtig ist dabei, dass die Einnahme mindestens 28 Tage lang erfolgen muss und die Kosten für die Medikamente von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. Im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden immer mehr Abläufe in eine einheitliche digitale Infrastruktur, die Telematikinfrastruktur (TI), überführt. 2020 wurde eine digitale Weiterentwicklung des Medikationsplans vorgestellt: der elektronische Medikationsplan (eMP).
Für den eMP gelten aktuell dieselben Voraussetzungen wie für den BMP, nur ist er nicht mehr ausschließlich auf Papier verfügbar, sondern wird digital auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert. Nach der Einwilligung des Patienten können Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker einen Überblick über die gesamte Arzneimittelbehandlung bekommen. In der nächsten Entwicklungsstufe soll der eMP in die elektronische Patientenakte (ePA) eingebunden werden und damit als eigenständige Online-Anwendung der TI unabhängig von der eGK verfügbar sein. Ob der Patient die elektronische Version des Medikationsplans nutzen möchte, bleibt vollends ihm überlassen, denn die Nutzung ist freiwillig und auch der BMP bleibt zunächst als Option bestehen.
Die wichtigsten Informationen rund um den elektronischen Medikationsplan
Wie im BMP werden im elektronischen Medikationsplan sämtliche relevanten Informationen zu den verschriebenen Medikamenten eines Patienten gespeichert:
- Stammdaten: Der eMP enthält sämtliche wichtigen persönlichen Patienteninformationen wie den Namen, die Anschrift oder das Geburtsdatum.
- Behandlungsrelevante Daten: Bestimmte Untersuchungsergebnisse wie Blutwerte oder Allergien beeinflussen die Wahl der Medikation. Solche Daten werden ebenfalls im eMP gespeichert.
- Aktuelle Medikation: Im eMP werden primär verschreibungspflichtige Arzneimittel dokumentiert, aber auch rezeptfreie Medikamente können aufgeführt werden. Neben dem Namen des Medikaments werden auch Einnahmehinweise wie Dosierung, Einnahmezeitpunkt oder -häufigkeit vermerkt. Diese helfen besonders dem Patienten, den Überblick zu behalten.
- Vorherige Medikation: Auch früher eingenommene Medikamente können im eMP gespeichert werden.
- Kommentare: Ärzte, Apotheker oder Therapeuten können zusätzlich Hinweise zur Medikation vermerken, etwa den Grund für die Verschreibung oder das Absetzen eines Medikaments.
Um den elektronischen Medikationsplan verwenden zu können, müssen Patienten einmalig ihre Einwilligung zur generellen Nutzung geben, was entweder in einer Arztpraxis oder in einer Apotheke möglich ist. Patienten müssen dabei eine NFC-fähige eGK sowie die dazugehörige PIN zur Hand haben. Letztere können sie von ihrer Krankenkasse anfordern. Der Arzt oder Apotheker legt den eMP in seinem Praxis- oder Apothekenverwaltungssystem an und füllt ihn mit sämtlichen relevanten Informationen zur Arzneimitteltherapie. Dafür können direkt die im PVS oder AVS gespeicherten Daten zum Patienten verwendet werden. Der eMP wird anschließend auf die eGK übertragen und dort gespeichert. Dafür steckt der Patient seine elektronische Gesundheitskarte in das Kartenterminal und gibt seine PIN ein. Im Zuge dessen können die medizinischen Leistungserbringer auch den Notfalldatensatz (NFDS) aktualisieren. Damit stellen sie sicher, dass die aktuell eingenommenen Arzneimittel auch für das Notfalldatenmanagement (NFDM) verfügbar sind.
Verantwortung für die Aktualität der Medikationsdaten tragen die behandelnden Ärzte und beratenden Apotheker. Bei einer Änderung oder Ergänzung der Medikation sind sie also verpflichtet, die entsprechenden Angaben anzupassen und die aktualisierten Daten auf die eGK des Patienten zu übertragen. Patienten haben dabei die Möglichkeit, auf die Eintragung bestimmter Arzneimittel in den eMP zu verzichten. Allerdings kann die Vorenthaltung dieser Informationen die weitere Behandlung beeinträchtigen, weshalb Ärzte und Apotheker die Patienten darüber aufklären müssen. Sollte der Patient den Wunsch nach einer Papiervariante des Medikationsplans äußern, kann auf Basis des eMP ein Ausdruck erstellt werden. Dadurch behalten Patienten weiterhin den Überblick, wann sie welches Medikament mit welcher Dosis einnehmen müssen.
Elektronischer Medikationsplan: Wie steht es um den Datenschutz?
Wie auch bei den anderen Gesundheitsanwendungen der Telematikinfrastruktur hat beim elektronischen Medikationsplan die Sicherheit der Patientendaten oberste Priorität. Die Verantwortung für den Datenschutz innerhalb der TI trägt die gematik. Für den eMP gelten dieselben Anforderungen wie für andere TI-Anwendungen wie zum Beispiel die elektronische Patientenakte. Konkret bedeutet das, dass nur Angehörige bestimmter Berufsgruppen überhaupt die Möglichkeit haben, auf den eMP zuzugreifen. Zu diesen Berufsgruppen zählen unter anderem Ärzte sowie Zahnärzte, Psychotherapeuten und Apotheker. Diese sind innerhalb ihrer Praxis oder Apotheke durch einen Konnektor und andere zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen wie den elektronischen Heilberufsausweis an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und können sich dadurch als berechtigte Person digital ausweisen. Der Patient muss für den Zugriff sein Einverständnis geben – das kann zum Beispiel durch die Eingabe der PIN geschehen. Nach der Zustimmung des Patienten kann sich der Arzt oder Apotheker den eMP in seinem PVS bzw. AVS anzeigen lassen. Patienten haben zusätzlich die Möglichkeit, Angehörige für die Datenfreigabe zu autorisieren. Das kann zum Beispiel in einem Notfall wichtig sein, sollten die regelmäßig eingenommenen Arzneimittel des Patienten nicht im NFDS vermerkt sein und der Arzt deshalb keinen Zugriff auf die Medikationsdaten innerhalb des NFDM haben.
Der elektronische Medikationsplan hilft dabei, Fehler zu vermeiden
Der primäre Vorteil des elektronischen Medikationsplans ist die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Der Begriff beschreibt sämtliche Maßnahmen für die Gewährleistung eines optimalen Medikationsprozesses. Der eMP trägt zur AMTS bei, indem er Heilberufler bei der Wahl der passenden Medikamente für ihre Patienten oder Kunden unterstützt und dafür sorgt, dass Medikationsfehler sowie Risiken reduziert werden. Dank der Übersicht über alle vorherigen und aktuellen Medikamente, aber auch andere Daten wie Blutwerte oder Allergien werden Fehl- oder Doppelverordnungen sowie unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Medikamenten vermieden.
Vom elektronischen Medikationsplan profitieren Patienten auch beim Erwerb rezeptfreier Medikamente: Gibt der Patient in der Apotheke den Zugang zu seinem eMP frei, können ihn Apotheker besser beraten und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vorbeugen. Da weiterhin eine Papierversion für den Patienten ausgestellt werden kann, behält auch er weiterhin den Überblick über seine Verordnungen. Sobald der elektronische Medikationsplan unabhängig von der Gesundheitskarte verfügbar ist, werden Patienten ihre Medikation auch digital einsehen können.
Für Ärzte, Therapeuten und Apotheker wird durch den elektronischen Medikationsplan die Zusammenarbeit vereinfacht und sie können – basierend auf den im eMP aufgeführten Informationen – individuell auf den Patienten zugeschnittene Entscheidungen zur Arzneimitteltherapie treffen. Da durch den eMP sämtliche Informationen zu den aktuell eingenommen Medikamenten vorliegen, wird auch die Ausstellung von Folgerezepten für Ärzte und Patienten erleichtert. Damit können sich Ärzte und Patienten sicher sein, dass das ausgestellte E-Rezept das richtige Medikament beinhaltet.