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Telematikinfrastruktur – die sichere Vernetzung des Gesundheitssystems

Die Telematikinfrastruktur bildet die Basis für den digitalen Austausch von Patienten- und Behandlungsdaten zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb des Gesundheitswesens. Erfahren Sie, was genau die Infrastruktur ausmacht, welche Rolle der Datenschutz bei der Übertragung medizinischer Daten spielt und was die Vernetzung für Patienten und den Akteuren im deutschen Gesundheitswesen bedeutet.

Für den Austausch von medizinischen Informationen, wie Medikationsplänen, Arztbriefen oder (Folge-)Rezepten zwischen Ärzten, Patienten, Apotheken oder Versicherungen kamen bislang vor allem Faxgeräte, eine postalische Zustellung oder die persönliche Übergabe zum Einsatz. Der analoge Kommunikationsweg birgt allerdings einige Risiken wie den möglichen Verlust von Informationen – besonders wenn viele verschiedene Ärzte an der Behandlung beteiligt sind – sowie eine längere Übermittlungsdauer. Die Digitalisierung soll diesen Herausforderungen entgegenwirken und eine Möglichkeit der sicheren Vernetzung sämtlicher Stellen der medizinischen Versorgung schaffen. Die Basis für eine solche Vernetzung bildet die Telematikinfrastruktur (TI), die auf der Grundlage des 2015 erlassenen E-Health-Gesetzes entwickelt wurde. Durch die Telematikinfrastruktur können alle in die Behandlung eines Patienten involvierten Beteiligten digital verbunden werden und erhalten schneller und leichter Zugang zu den benötigten Patientendaten und Behandlungsinformationen. Dabei steht die Datensicherheit an erster Stelle, denn die Hoheit über die eigenen Daten soll weiterhin beim Patienten liegen. Ziel ist, in Zukunft sämtliche Krankmeldungen, Rezepte, Befunde und Medikationsplanungen digital zu übermitteln, um durch die bestmögliche Information aller Beteiligten auch die bestmögliche Behandlung für den Patienten zu erreichen.

Was ist die Telematikinfrastruktur?

Die Telematikinfrastruktur ist die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, die im deutschen Gesundheitswesen Anwendung findet. Die Wortschöpfung „Telematik” setzt sich aus der Kombination der Begriffe „Telekommunikation“ und „Informatik“. Dabei werden zwei oder mehr Informationssysteme durch ein Telekommunikationssystem und eine spezielle Datenverarbeitung verknüpft. Die Telematikinfrastruktur ist die organisatorische Basis für die Verknüpfung und ermöglicht eine langfristige Digitalisierung des Gesundheitswesens unter der Einhaltung von hohen Sicherheitsstandards, da sie als geschlossenes Netz zur Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen dient. Ein Zugriff auf die Daten von außen wird damit erschwert. Nur nach der Zustimmung des Patienten erhalten die Beteiligten durch die Telematikinfrastruktur einen umfassenden Überblick über den aktuellen Behandlungsverlauf – dadurch können Mehrfachuntersuchungen vermieden und die allgemeine Versorgungsqualität gesteigert werden. Eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Telematikinfrastruktur spielt die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mBh (kurz: gematik). Als ein bundesweites Kompetenzzentrum verantwortet die gematik alles rund um die Einführung und den Betrieb der Telematikinfrastruktur und befasst sich somit vor allem mit der Planung, Prüfung und Steuerung sämtlicher Projekte. Dabei sollen vor allem vier Grundsätze im Fokus stehen: Interoperabilität, Sicherheit, Verlässlichkeit und flächendeckende Nutzung.

Anwendungen innerhalb der Telematikinfrastruktur

Die Telematikinfrastruktur sorgt in erster Linie für die digitale Vernetzung zwischen Patienten, Ärzten, Apotheken und anderen Beteiligten im deutschen Gesundheitswesen. Das passiert innerhalb von standardisierten Anwendungen, die von der gematik zertifiziert sein müssen.

Als eine der ersten Anwendungen kam das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) zum Einsatz, das bereits seit Ende 2018 in jeder Praxis und jedem Krankenhaus durchgeführt werden muss – egal ob der Patient gesetzlich oder privat versichert ist. Konkret bedeutet dies, dass Praxen in regelmäßigen Abständen die persönlichen Daten der Patienten mit den auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Angaben abgleichen müssen. Sollten dabei Abweichungen festgestellt werden, so können die Angaben einfach direkt vor Ort aktualisiert werden.

Seit der Einführung des digitalen VSDM wurden weitere digitale Anwendungen für die Nutzung innerhalb der Telematikinfrastruktur entwickelt. Zu den aktuellen Anwendungen zählen das E-Rezept, oder die elektronische Patientenakte (ePA), die seit 2021 zum Einsatz kommen. Die ePA bündelt dabei sämtliche Informationen wie z.B. Impfungen, Befunde, Vorerkrankungen, Blutwerte oder Arztbriefe, sodass die für den Zugriff befugten Personen alle Daten an einem Ort vorliegen haben. Und auch beim E-Rezept werden einzelne analoge Schritte gespart: Der Patient bekommt vom Arzt das Rezept digital verschlüsselt per QR-Code und kann es in der Apotheke vor Ort oder online einlösen. Ab Oktober 2021 läuft eine bundesweite Testphase des E-Rezeptes an.

Ein weiterer Meilenstein war die Einführung eines bundesweiten Kommunikationsdienstes für medizinische Akteure: „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM). Über KIM können Patienteninformationen wie z.B. Befunde, Röntgenbilder oder elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zwischen Praxen, Krankenhäusern oder Krankenversicherungen sicher, medienbruchlos und systemübergreifend ausgetauscht werden. Der Kommunikationsdienst funktioniert ähnlich wie ein E-Mail-Programm, allerdings wird jede Nachricht und jedes gesendete Dokument verschlüsselt und kann nur von den durch den Patienten berechtigten Personen gelesen werden.

Die Telematikinfrastruktur und der Datenschutz

Besonders wenn es um sensible medizinische Daten geht, müssen Sicherheit und Datenschutz an oberster Stelle stehen. Daher sind sämtliche Akteure innerhalb der Telematikinfrastruktur verpflichtet, sich an geltende Gesetze und Verordnungen wie die Datenschutz-Grundverordnung zu halten. Das beginnt bereits bei der Entwicklung von Prozessen, Anwendungen und Geräten, die für die Telematikinfrastruktur notwendig sind, denn die Datenhoheit soll durchgehend beim Patienten liegen. Damit das gewährleistet werden kann und der Patient allein den Zugriff auf seine Daten steuert, wurden spezielle ergänzende Datenschutz-Regelungen entwickelt. Vor jedem Zugriff auf die ePA durch einen Arzt muss der Patient diesem aktiv zustimmen. Der Patient entscheidet zudem darüber, welche Anwendungen – neben den verpflichtenden Anwendungen wie dem Versichertenstammdatenmanagement – genutzt werden sollen. Sollte ein Patient also Anwendungen wie die elektronische Patientenakte oder den elektronischen Medikationsplan nicht nutzen wollen, so muss er der Nutzung auch nicht zustimmen.

Damit von Seiten der Ärzte Datensicherheit gewährleistet werden kann, müssen diverse Vorkehrungen getroffen werden. Neben einem elektronischen Praxisausweis benötigt jeder Arzt auch einen individuellen elektronischen Heilberufsausweis, der für die digitale Signatur verwendet wird. Dieser wird auch für den Zugriff auf die Patientendaten benötigt.

Welche Ausstattung benötigen Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken?

Um eine datenschutzsichere und unkomplizierte digitale Zusammenarbeit zu ermöglichen, brauchen Arztpraxen und andere medizinische Akteure wie Krankenhäuser oder Apotheken eine bestimmte Ausstattung. Sie sichert die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen und benötigt eine besondere Zertifizierung, um als Teil der Telematikinfrastruktur genutzt werden zu können. Für die Erstausstattung sowie die laufenden Betriebskosten kommen die Krankenkassen durch vorher festgelegte Pauschalen auf.

Für die Teilnahme an der Telematikinfrastruktur werden benötigt:

  • ein Konnektor,
  • ein E-Health-Kartenterminal (optional auch ein mobiles Kartenterminal),
  • ein Praxis- bzw. Institutionsausweis,
  • ein elektronischer Heilberufsausweis und
  • ein VPN-Zugang.

Elektronischer Praxis- bzw. Institutionsausweis (SMC-B)

Der elektronische Praxisausweis – auch Security Module Card-Typ B genannt – fungiert als Identitätskarte der Arztpraxis bzw. des Krankenhauses als Ganzes. Er autorisiert die Praxis zur Teilnahme an der Telematikinfrastruktur. Der Ausweis kann bei der für die Praxis zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung beantragt werden.

Elektronischer Heilberufsausweis (eHBA)

Im Gegensatz zum elektronischen Praxisausweis gilt der elektronische Heilberufsausweis nur für den entsprechenden Arzt bzw. Heilberufler und nicht für die gesamte Praxis. Jeder Heilberufler benötigt daher einen eigenen eHBA, denn dieser wird für die Ausstellung der qualifizierten elektronischen Signatur benötigt, die etwa für die Unterzeichnung von E-Rezepten zum Einsatz kommt. Diese Signatur wird dann für die Ausstellung von Dokumenten wie E-Rezepte oder E-Arztbriefe genutzt.

E-Health-Kartenterminal (eHKT)

Das E-Health-Kartenterminal ähnelt dem existierenden Kartenterminal, das bereits flächendeckend zum Einsatz kommt. Allerdings ist diese Variante für den Online-Zugriff über den Konnektor ausgelegt. Das eHKT kann die für die Telematikinfrastruktur benötigten Karten wie die elektronische Gesundheitskarte der Patienten oder den eHBA der Ärzte lesen und sie damit identifizieren. Zudem können die teilweise zur Freigabe von Daten benötigten PINs über das Terminal eingegeben werden.

Konnektor

Der Konnektor stellt die Verbindung zwischen den Kartenterminals, dem Praxisverwaltungssystem und den zentralen Datenservern her. Er funktioniert dabei ähnlich wie ein klassischer DSL-Router, allerdings hat er ein deutlich höheres Sicherheitsniveau.

VPN-Zugang

Der VPN-Zugang für die Telematikinfrastruktur ist wie ein klassischer VPN-Zugang zu verstehen. Er sorgt für eine sichere und verschlüsselte Verbindung zwischen den verschiedenen Servern.

Die Telematikinfrastruktur: Die Basis für die Digitalisierung im Gesundheitswesen

Alles in allem soll die Telematikinfrastruktur den Weg zu einem digitalisierten Gesundheitswesen ebnen. Dabei steht vor allem die Datensicherheit im Fokus, deren Standards das Bundesamt für Sicherheit & Informationstechnik (BSI) kontinuierlich überprüft. Seit einiger Zeit werden Anwendungen wie das Versichertenstammdatenmanagement und das Notfalldatenmanagement bereits standardmäßig verwendet. Im Laufe des Jahres 2021 kamen dann Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA), KIM und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hinzu, welche gesetzlich versicherte Patienten bereits nutzen können. Bis Ende 2021 soll die Telematikinfrastruktur flächendeckend in Deutschland Anwendung finden, damit 2022 das E-Rezept ohne Probleme in sämtlichen Praxen, Apotheken und Krankenhäusern genutzt werden kann. Die Telematikinfrastruktur schafft eine einheitliche digitale Plattform für sämtliche Akteure im deutschen Gesundheitswesen. Die Integration von digitalen, sektorübergreifenden Anwendungen und Prozessen wird langfristig nicht nur die Prozesse und Kommunikation vereinfachen, sondern auch die generelle Patientenversorgung verbessern. Denn die bestmögliche Information aller Beteiligten ermöglicht so auch die bestmögliche Behandlung für den Patienten.

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